Die elektronische Beglaubigung

Digitalisierung ist eines der meistgenutzten Schlagworte der letzten paar Jahre. Dies macht sich erfreulicherweise auch im Notariatswesen bemerkbar. Seit dem 1. Januar 2020 haben St.Galler Urkundspersonen die Möglichkeit, elektronische Beglaubigungen vorzunehmen. Was genau ist aber eine elektronische Beglaubigung und wofür ist sie gut? Was gibt es zudem aus Sicht der Urkundsperson zu beachten? Der vorliegende Artikel versucht einen kurzen Überblick zu geben.Autor: Dr. iur. HSG Fabian Mörtl
Die elektronische Beglaubigung

Bereits auf den 1. Januar 2012 hat der Bund den Kantonen die Kompetenz eingeräumt, ihre Urkundspersonen zu ermächtigen, «elektronische Ausfertigungen der von ihnen errichteten öffentlichen Urkunden zu erstellen» und «die Übereinstimmung der von ihnen erstellten elektronischen Kopien mit den Originaldokumenten auf Papier sowie die Echtheit von Unterschriften elektronisch zu beglaubigen».

Der Kanton St.Gallen hat von der zweitgenannten Kompetenz Gebrauch gemacht und seine Urkundspersonen per 1. Januar 2017 grundsätzlich zur Vornahme elektronischer Beglaubigungen ermächtigt. Urkundspersonen hätten sich dafür jedoch ins Schweizerische Register für Urkundspersonen (UPReg) eintragen müssen, wofür sie ein Gesuch an die zuständige kantonale Behörde hätten stellen müssen. Leider hatte es der Kanton St. Gallen damals verpasst, diese Zuständigkeit zu regeln. Seit dem 1. Januar 2020 steht nun fest, dass das Amt für Handelsregister und Notariate die für den Eintrag ins UPReg erforderliche Ermächtigung erteilt. Damit steht den st.gallischen Urkundspersonen der Weg zur Vornahme elektronischer Beglaubigungen frei.

 

Was ist eine elektronische Beglaubigung?

Eine Beglaubigung ist ein Vermerk (Verbal), den eine Urkundsperson nachträglich einem vorhandenen Fremdtext beifügt und der auf den besagten Fremdtext Bezug nimmt. In der Praxis am häufigsten sind die Beglaubigung einer Unterschrift oder einer Kopie; in diesen Fällen bescheinigt der Notar die Echtheit einer Unterschrift bzw. dass eine Kopie mit einem ihm vorgelegten Dokument übereinstimmt.

Elektronisch ist die Beglaubigung dann, wenn das resultierende (beglaubigte) Dokument nicht physisch auf Papier, sondern in digitaler Form vorliegt (s. aber einen später erwähnten Sonderfall). In der EÖBV (Verordnung über die Erstellung elektronischer öffentlicher und elektronischer Beglaubigungen) sind mehrere Arten solcher Beglaubigungen erwähnt. Sie können danach unterschieden werden, ob das Dokument mit dem zu beglaubigenden Fremdtext (noch) physisch oder (bereits) in elektronischer Form vorliegt.

Im erstgenannten Fall liest die Urkundsperson das ihr vorgelegte Dokument selbst ein, vollzieht mithin einen sog. Trägerwechsel (analog zu digital). Beglaubigt werden könnte dann entweder,

  • a) dass das elektronische Dokument mit dem Papierdokument übereinstimmt (Art. 13 EÖBV); oder
  • b) dass die auf dem Papierdokument angebrachte eigenhändige Unterschrift von der angegebenen (und identifizierten) Person geleistet oder anerkannt wurde (Art. 15 EÖBV).

Im zweitgenannten Fall liegt der Urkundsperson das Ursprungsdokument mit dem Fremdtext nicht auf Papier, sondern in elektronischer Form vor. In diesem Fall kann sie

  • c) das elektronische Ursprungsdokument in ein anderes elektronisches Dokument überführen und dann bestätigen, dass dieses Dokument mit dem Ursprungsdokument übereinstimmt (Art. 14 Abs. 1 EÖBV), oder
  • d) eine im elektronischen Ursprungsdokument enthaltene elektronische Signatur  elektronisch beglaubigen, indem sie bestätigt, dass die fragliche Signatur in ihrer Anwesenheit angebracht wurde oder durch die signierende Person anerkannt wurde (Art. 16 EÖBV).

Zusätzlich sieht die EÖBV einen Fall vor, bei dem ein Trägerwechsel von digital zu analog erfolgt, am Ende somit nicht ein elektronisches Dokument steht, sondern ein Papierdokument:

  • e) Die Urkundsperson kann ein elektronisches Dokument  auf Papier ausdrucken und den Vermerk anbringen, dass dieses mit dem elektronischen Ursprungsdokument übereinstimmt und/oder dass die darauf angebrachte elektronische Signatur von der angegebenen und identifizierten Person angebracht wurde (Art. 17 EÖBV).

 

Herausforderung für die Urkundsperson

Die EÖBV bringt viele Möglichkeiten mit sich. Für die Urkundspersonen, die davon Gebrauch machen möchten, sind aber einige Punkte zu beachten. Vorausgesetzt ist zunächst, dass sie über eine SuisseID verfügen und sich mittels eines entsprechenden Gesuchs an das Amt für Handelsregister und Notariate ins UPReg eintragen lassen. (Nicht erforderlich ist dies immerhin für eine Beglaubigung der vorgenannten Variante e.)

Gewisse technische Fähigkeiten sind ebenfalls notwendig. Das beginnt bereits beim Scannen oder Umwandeln des Ursprungsdokuments. Denn zugelassen sind einzig die Dateiformate PDF/A-1 und PDF/A-2. Dies bedingt, dass die Urkundsperson über die entsprechende Software verfügt. Erfreulicherweise bieten viele der am meisten verbreiteten Computerprogramme zum Anzeigen und Bearbeiten von PDF-Dateien die benötigten Funktionen des Erstellens und Signierens. Für Letzteres könnte man zudem den kostenlosen LocalSigner  einsetzen.

Die grössere Herausforderung betrifft die notarielle Kernaufgabe bei einer Beglaubigung, nämlich das Prüfen der von der Urkundsperson zu vermerkenden Tatsachen. Keinesfalls sollte man sich auf das reibungslose Funktionieren der technischen Hilfsmittel verlassen. Fehler sind bekanntlich schnell geschehen, gerade in diesem Bereich. So erging es etwa einem bernischen Notar, der bei der Erstellung der elektronischen Ausfertigung einer Urschrift in Papierform  nicht bemerkte, dass auf einer Seite die zwei untersten Zeilen nicht erfasst worden sind.

Vor ein paar Jahren wurde zudem entdeckt, dass Xerox-Scankopierer die im gescannten Papierdokument enthaltenen Zahlen veränderten.

Liegt das Ursprungsdokument in digitaler Form vor, kommen zudem weitere Punkte hinzu. So sehen bspw. mit Microsoft Word erstellte Dokumente je nach der zur Anzeige des Dokuments verwendeten Software anders aus. Muss die Urkundsperson also erwähnen, welches Programm in welcher Version sie für den Ausdruck oder die Umwandlung verwendet hat? Sind ferner gewisse Metadaten wie z.B. das Datum der letzten Änderung des Ursprungsdokuments festzuhalten? Nicht zuletzt wird die Urkundsperson gefordert, wenn sie eine im Ursprungsdokument enthaltene elektronische Signatur beglaubigen soll (vgl. dazu Art. 14 Abs. 2 EÖBV). All diese Punkte sind letztlich bei der Formulierung des Verbals zu berücksichtigen.

Auf Seiten einer Urkundsperson, die elektronische Beglaubigungen erstellen will, sind nach dem Gesagten einige technische und vor allem auch gedankliche Umstellungen erforderlich. Bereits aus diesem Grund werden sich einige überlegen, ob sie diesen Schritt gehen wollen. Nicht förderlich ist bei dieser Abwägung sicherlich, dass die für den Eintrag ins UPReg erforderliche Suisse-
ID heute nicht mehr erhältlich und, falls sie bereits erworben wurden, längstens bis zum 15. Dezember 2021 gültig ist, jedoch noch kein Nachfolger feststeht.

 

Ein grosser Schritt im Bereich der Digitalisierung?

Die eben geschilderten Möglichkeiten der elektronischen Beglaubigung sind für sich genommen positiv zu beurteilen. Ihre Einführung ist ein weiterer Schritt in die Richtung zunehmender Digitalisierung. In einer Gesamtbetrachtung bleiben sie allerdings hinter dem zurück, was man sich als Urkundsperson wünschen würde. Namentlich in zwei weiteren Bereichen wären Entwicklungen erforderlich.

So ist es mit der Erstellung elektronischer Dokumente alleine nicht getan. Denn diese können nur via eine zertifizierte Zustellplattform wie IncaMail oder PrivaSphere an die zuständige Behörde übermittelt werden. Bei diesen Plattformen besteht aber noch erheblicher Verbesserungsbedarf. So beträgt etwa die maximale Dateigrösse, die das Handelsregisteramt St. Gallen in seinem Onlineschalter zulässt, lediglich 5 MB, mithin ein Wert, der je nach Umfang des Dokuments und Scanqualität schnell erreicht ist.

Zudem hat die elektronische Beglaubigung (und Beurkundung) nicht zur Folge, dass die heute bestehenden technologischen Möglichkeiten wie insbesondere die Videotelefonie sinnvoll genutzt werden können. Die Urkundsperson ist weiterhin nicht davon befreit, bei einem Vorgang persönlich anwesend zu sein, und sind auch Fernbeglaubigungen weiterhin zumindest umstritten. Erleichterungen in diesen beiden Bereichen könnten aber einiges vereinfachen, gerade auch zu Pandemiezeiten.

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