Werde ich als Kind unverheirateter Eltern meinen Vater einmal beerben?

Das Schweizerische Zivilgesetzbuch besagt, dass die nächsten Erben eines Erblassers die Nachkommen sind. Da jedoch nicht alle Kinder eines Mannes auch seine Nachkommen im gesetzlichen Sinne sind, ist es möglich, dass nicht alle Kinder ihre Väter beerben.Autor: MLaw Simone Scherrer
Werde ich als Kind unverheirateter Eltern meinen Vater einmal beerben?

Das Schweizerische Zivilgesetzbuch besagt, dass die nächsten Erben eines Erblassers die Nachkommen sind. Da jedoch nicht alle Kinder eines Mannes auch seine Nachkommen im gesetzlichen Sinne sind, ist es möglich, dass nicht alle Kinder ihre Väter beerben.

Stirbt der Vater eines Kindes, dessen Eltern nicht miteinander verheiratet waren und welches vor dem 1. Januar 1978 geboren wurde, ist es möglich, dass dieses Kind seinen Vater nicht beerbt. Dies ist auch dann möglich, wenn der Vater bekannt ist und auch wenn er für lange Zeit Unterhaltzahlungen für das Kind leistete.

Die mit mehreren Gesetzesrevisionen angestrebte Gleichbehandlung von ehelichen und ausserehelichen Kindern wurde noch nicht (umfassend) erreicht. Eine nach wie vor bestehende Ungleichbehandlung besteht darin, dass ein aussereheliches Kind seinen Vater einzig beerbt, wenn zwischen dem Kind und dem Vater ein rechtliches Kindesverhältnis besteht. Eheliche Kinder sind von Gesetzes wegen erbberechtigt.

Das rechtliche Kindesverhältnis ist die Grundlage dafür, dass ein Kind Nachkomme eines Erblassers ist und damit als nächsten Erben des Erblassers gilt. Ein rechtliches Kindsverhältnis zum Vater entsteht, wenn die Mutter im Zeitpunkt der Geburt mit diesem verheiratet ist. Bei nichtverheirateten Eltern entsteht das rechtliche Kindsverhältnis, indem der Vater das Kind anerkennt oder durch ein Gerichtsurteil, welches mittels Vaterschaftsklage erwirkt wird. Auch durch Adoption wird ein Kindsverhältnis begründet.

Bis zur Änderung des Kindesrechts per 1. Januar 1978 kannte das Schweizerische Zivilgesetzbuch zwei Formen der Kindesanerkennung. Die Kindesanerkennung mit Standesfolge begründete ein rechtliches Kindsverhältnis, welches im Zivilstandsregister eingetragen wurde. Bei der Kindesanerkennung ohne Standesfolge wurde der Vater zur Zahlung von Unterhalt (auch Alimenten genannt) verpflichtet, ohne dass ein rechtliches Kindsverhältnis begründet wurde. Die Kindesanerkennung ohne Standesfolge war auch als Zahlvaterschaft bekannt.

Die neuen Gesetzesbestimmungen ab dem 1. Januar 1978 ermöglichten es nur einigen Betroffenen innert bestimmten Fristen eine Klage zur Begründung eines rechtlichen Kindesverhältnisses zu erheben. Diejenigen Kinder von Zahlvätern, welche nach der Gesetzesrevision nicht innert der gesetzlichen Frist eine Klage erhoben haben, deren Klage nicht erfolgreich war oder welche gar nicht zur Klageerhebung legitimiert waren, werden beim Tod ihres Vaters nicht zu den gesetzlichen Erben gehören und über kein Pflichtteilsrecht verfügen.

Verstirbt ein Zahlvater, ohne eine letztwillige Verfügung zu hinterlassen oder nennt er sein aussereheliches Kind nicht als Erbe in seinem Testament, ist dieses Kind nicht erbberechtigt.

Nennt der Zahlvater in seinem Testament beispielsweise alle seine Kinder und listet sowohl seine ehelichen als auch ausserehelichen Kinder mit ihren vollständigen Personalien auf, könnte das aussereheliche Kind als eingesetzter Erbe qualifiziert werden. Als eingesetzter Erbe kommen dem Kind Erbenstellung und alle damit verbundenen Rechte eines Erben zu. Das Kind verfügt aber nicht über einen Pflichtteilsschutz. Ausserdem wird das Kind sein Erbe in den meisten Kantonen versteuern müssen, denn mangels rechtlichem Kindsverhältnis gilt das Kind nicht als Nachkommen, welche in der Regel steuerfrei erben.

Formuliert der Zahlvater in seiner letztwilligen Verfügung eine ausdrückliche und unmissverständliche Anerkennung des Kindes, wird bei seinem Ableben ein rechtliches Kindsverhältnis auf die Geburt des Kindes zurück begründet. Das Kind geniesst als Erbe dieselben Rechte wie seine allfälligen (Halb-) Geschwister und gilt als Nachkomme des Erblassers. Das Kind bezahlt in den meisten Kantonen keine Erbschaftssteuer.

Bei der testamentarischen Anerkennung sind die Formvorschriften zur letztwilligen Verfügung zu beachten, sodass die Anerkennung gültig ist. Ausserdem sollte die testamentarische Anerkennung des Kindes ausdrücklich und unmissverständlich formuliert werden.

Die lebzeitige oder testamentarische Anerkennung setzt voraus, dass der Zahlvater von sich aus ein rechtliches Kindesverhältnis zu seinem Kind begründen will. Das betroffene Kind ist darauf angewiesen, dass sein Vater die Anerkennung gegenüber dem Zivilstandsbeamten erklärt oder diese testamentarisch verfügt. Die Formulierung der testamentarischen Anerkennung soll sorgfältig gewählt werden, weshalb eine juristische Beratung empfohlen wird.

Gegen den Willen des Zahlvaters kann das Kind eine Vaterschaftsklage erheben. Die Klageerhebung kann je nach Einzelfall mit prozessualen Hürden verbunden sein. Die Prozessrisiken und -chancen sollten vor der Einleitung eines Verfahrens mit Blick auf den konkreten Einzelfall genau geprüft werden.

Fazit

Kinder werden von ihren Vätern nur beerbt, wenn ein rechtliches Kindesverhältnis besteht. Aussereheliche Kinder, besonders wenn sie vor 1978 geboren wurden, können dabei benachteiligt sein. Ohne Anerkennung oder testamentarische Regelung durch den Vater sind sie von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen.

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