Wenn Schmetterlinge Bauvorhaben blockieren

Der Biotopschutz wird zunehmend als Argument gegen Bauprojekte eingesetzt.Autor: M.A. HSG in Law Flurina Brunett
Wenn Schmetterlinge Bauvorhaben blockieren

Biotop

Der Biotopschutz ist in Art. 18 Abs. 1 Natur- und Heimatschutzgesetz (NHG) geregelt. Demgemäss ist dem Aussterben einheimischer Tier- und Pflanzenarten durch die Erhaltung genügend grosser Lebensräume (Biotope) und andere geeignete Massnahmen entgegenzuwirken. Besonders zu schützen sind dabei Uferbereiche, Riedgebiete, Moore, seltene Waldgesellschaften, Hecken, Feldgehölze, Trockenrasen und weitere Standorte, die eine ausgleichende Funktion im Naturhaushalt erfüllen oder besonders günstige Voraussetzungen für Lebensgemeinschaften aufweisen (Art. 18 Abs. 1bis NHG). Während der Bundesrat Biotope von nationaler Bedeutung bezeichnet, sorgen die Kantone für Schutz und Unterhalt der Biotope von regionaler und lokaler Bedeutung (Art. 18b Abs. 1 NHG).

Gemäss Natur- und Heimatschutzverordnung (NHV) gilt insbesondere das Vorhandensein von geschützten Pflanzen und Tierarten als Kriterium für ein Biotop (Art. 14 NHV). Ein Eingriff in ein solches Biotop kann nur dann bewilligt werden, sofern er standortgebunden ist und einem überwiegenden Bedürfnis entspricht, wozu eine Interessenabwägung vorzunehmen ist (Art. 14 Abs. 6 NHV).

Zahlreiche Projekte betroffen

Die vorgenannten bundesrechtlichen Vorgaben zum Biotopschutz sind unmittelbar anwendbar und daher auch bei Bauprojekten zu berücksichtigen.

 Im Kanton Zürich blockierten Nachbarn ein Bauprojekt mit dem Argument, auf dem teilweise unbebauten Grundstück befinde sich ein Mosaik aus Gehölzen und artenreichen Wiesen, und an sonnigen Herbsttagen seien zahlreiche Vögel und Schmetterlinge anzutreffen. Das Grundstück sei daher als schutzwürdiger Lebensraum für eine Vielzahl von Tieren und Pflanzen geeignet. Solche Lebensräume seien nach Art. 18 Abs. 1 NHG geschützt (sog. Biotope). Die Gerichte folgten dieser Argumentation und hielten fest, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich auf dem Grundstück ökologisch wertvolle Flächen befänden. Die Gemeinde müsse daher zunächst eine allfällige Schutzwürdigkeit klären und dann eine Interessenabwägung vornehmen (VB.2023.00009 vom 5. Oktober 2023).

Dieser Entscheid aus Zürich reiht sich in die bereits bekannten Fälle aus der Romandie ein (Gemeinde Grandfontaine BGer 1C_653/2019; Stadt Lausanne BGer 1C_126/2020).

Im Fall Lausanne ging es um die Baubewilligung für ein Mehrfamilienhaus. Bei der Realisierung dieses Mehrfamilienhauses hätte ein Teil der bestehenden Hecke weichen müssen. Gemäss Bundesgericht seien diese Hecken aber als Rückzugsräume für Brutvögel als Lebensraum besonders wertvoll. Es handle sich daher um einen Fall von «Natur in der Stadt» und die Hecke erfülle die Funktion eines Biotops (BGer 1C_126/2020, E. 3). Gemäss Bundesgericht hätte aufgezeigt werden müssen, inwiefern der bestmögliche Schutz hätte gewährleistet werden können. Da das Projekt aber die Hecke massiv gefährde und eine neue Hecke nicht mehr das gleiche Volumen aufweise, verstosse das Bauvorhaben gegen Art. 18 Abs. 1ter NHG. Die bereits erteilte Baubewilligung wurde deshalb vom Bundesgericht aufgehoben.

Im Fall Grandfontaine kam das Bundesgericht zwar ebenfalls zum Schluss, die vom Bauprojekt tangierte Hecke sei schützenswert, da sie zahlreichen Vögeln und Insekten als Lebensraum diene. Das entgegenstehende Interesse an einer baulichen Nutzung des Grundstücks wurde aber im Gegensatz zum Lausanner Fall höher gewichtet und die Baubewilligung geschützt. Ausschlaggebend war wohl auch, dass der Eingriff in die Hecke nur geringfügig war.

Fazit

Der Biotopschutz könnte neben den bestehenden Problemen mit dem Lärmschutz und dem Denkmal- und Ortsbildschutz zu einem neuen Killerargument für Bauprojekte werden. Bei der Planung von Bauvorhaben sollte diesem Aspekt daher frühzeitig Rechnung getragen werden.

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