«Drum prüfe, wer lang sich bindet»
Das Testen eines Stellenbewerbers "on the job" kommt in der Praxis häufig vor. Was ist dabei rechtlich zu beachten?Autor: Dr. iur. Georg KramerDie Vorteile der Probearbeit liegen auf der Hand: Stellenbewerbende haben so die Möglichkeit, einen besseren Einblick über die künftige Arbeitstätigkeit und das Arbeitsumfeld zu gewinnen; Arbeitgeber können sich ein besseres Bild über die beruflichen Kenntnisse und sozialen Fertigkeiten der Interessenten machen. Gemeinsames Ziel: Offensichtliche Irrtümer und Fehlgriffe bei der Stellen- bzw. Personalwahl und damit verbundene Opportunitätskosten vermeiden.
Wenig bekannt sind die rechtlichen Rahmenbedingungen der Probearbeit bzw. der Arbeit auf Probe.
Die Probearbeit ist typischerweise auf wenige Stunden oder Tage beschränkt. Eine Bezahlung ist nicht üblich. Schriftliche Arbeitsverträge werden in der Regel nicht abgeschlossen. Eine gesetzliche Regelung der Probearbeit gibt es nicht.
Was aber gilt, wenn die Probearbeit nicht zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis führt und der Bewerber plötzlich Lohn fordert? Was passiert, wenn die Bewerberin während der Probearbeit verunfallt? Und welche Risiken gehe ich ein, wenn ich einen ausländischen Bewerber zur Probearbeit einlade, der noch keine Arbeitsbewilligung hat? Kann es sein, dass ich als Arbeitnehmerin tagelang für ein Unternehmen Knochenarbeit leisten muss und ich keinen Rappen Lohn dafür erhalte?
Ein Arbeitsvertrag kann formlos geschlossen werden. Er entsteht, wenn ein Arbeitnehmer Arbeitsleistungen für einen Arbeitgeber erbringt, die typischerweise gegen Entgelt verrichtet werden (Art. 320 Abs. 2 OR). Vertragstypisch ist weiter, dass sich der Arbeitnehmer in eine fremde Arbeitsorganisation eingliedert und dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist grundsätzlich von einem (entgeltlichen) Arbeitsvertrag auszugehen.
Ein Einsatz, der nur sehr kurz dauert und nur dazu dient, sich menschlich besser kennenzulernen und dem Bewerber die Möglichkeit gibt, sich im Betrieb etwas umzuschauen (sog. Schnuppern), begründet im Normalfall keine arbeitsrechtliche Arbeitspflicht und insbesondere keinen Lohnanspruch. Schwieriger ist der Fall, wenn der Bewerber während des Einsatzes im Interesse des Arbeitgebers Leistungen erbringt, für die man normalerweise Lohn erhält. Wird der Stellenbewerber als vollwertige Arbeitskraft eingesetzt und verrichtet er die gleichen Arbeiten wie andere Mitarbeiter, so ist er grundsätzlich entsprechend zu entlöhnen (vgl. Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, publiziert in JAR 2008, S. 460 ff.).
Möchten die Parteien verhindern, dass diese Rechtsfolge eintritt, ist vor dem Probeeinsatz die Unentgeltlichkeit ausdrücklich zu vereinbaren. Auch wenn kein schriftlicher Vertrag geschlossen wird, sollten zur Vermeidung von Missverständnissen und nachträglichen Diskussionen die wichtigsten Vereinbarungen des Probeeinsatzes (Zweck / Vergütung / Spesen / Befristung) vorgängig z.B. mittels WhatsApp, E-Mail, etc. schriftlich und beweissicher festgehalten werden.
Gratisarbeit birgt ein Missbrauchspotenzial. Nutzt ein Arbeitgeber die Probearbeit aus und lässt systematisch Stellenbewerbende probearbeiten, ohne ernsthaft an einer Anstellung interessiert zu sein, kann dies insbesondere eine Schadenersatzpflicht aus culpa in contrahendo auslösen.
Die Risiken der Probearbeit illustriert folgender Fall, der die gerichtlichen Instanzen bis zum Bundesgericht beschäftigt hat (BGE 137 IV 297): Der Geschäftsführer eines Restaurants liess B., der sich um eine Stelle als Küchenhilfe beworben hatte, an zwei Tagen über die Mittagszeit während je maximal 90 Minuten in der Küche probeweise und unentgeltlich arbeiten. B. verfügte keine Arbeitsbewilligung. Es kam zur Anzeige. Erstinstanzlich wurde der Geschäftsführer wegen Beschäftigung eines Ausländers ohne Bewilligung verurteilt. Das Bundesgericht entschied schliesslich, dass sich der Geschäftsführer nicht strafbar gemacht hat, weil die Arbeitseinsätze nicht primär auf einen Erwerb ausgerichtet waren, sondern im Rahmen eines Evaluationsverfahrens erfolgten.
Auch wenn das Bundesgericht das Absolvieren eines Schnupperhalbtages bzw. die unverbindliche Teilnahme an einem Evaluationsverfahren nicht als strafbare Schwarzarbeit qualifiziert hat, zeigt dieser Fall drastisch, dass in solchen Konstellationen eine klare Regelung der Probearbeit und gegebenenfalls ein vorgängiger Einbezug der zuständigen Behörden rechtliche Risiken vermeiden hilft.
Dass auch ein blosser Schnuppereinsatz unliebsame Rechtsfolgen haben kann, zeigt ein Fall aus dem Jahr 2001, wo ein Stellenbewerber im Rahmen eines Schnuppertages beim Abladen eines Lieferwagens auf einer Baustelle von der Ladefläche gefallen ist und sich am Rücken verletzt hat. Obwohl auch in diesem Fall der Schnuppereinsatz unentgeltlich war, ging das Bundesgericht davon aus, dass dieser Einsatz im Hinblick auf eine feste Anstellung erfolgte und somit das Erwerbsmotiv im Vordergrund stand. Das Bundesgericht verpflichtet die Unfallversicherung des Betriebes, für die Unfallfolgen aufzukommen (BGE 133 V 161).
Dass auch für Schnuppereinsätze die Arbeitssicherheit voll zu gewährleisten ist und ein Unfall auch haftpflichtrechtliche und strafrechtliche Folgen für den Arbeitgeber haben kann, muss dem Arbeitgeber klar sein. Je unerfahrener der Probearbeiter, desto höher sind die Anforderungen an Instruktion und Überwachung (vgl. Jens Niemeyer, Probearbeit aus arbeitsrechtlicher Sicht, Zürich/St. Gallen 2018, S. 33 f.).