Nahrungsergänzungsmittel und Heilanpreisungen
Nahrungsergänzungsmittel sind fester Bestandteil der heutigen Ernährungsgewohnheiten und insbesondere aus dem Alltag von sportlich aktiven Personen nicht mehr wegzudenken. Sie sind Lebensmittel, die dazu bestimmt sind, die normale Ernährung zu ergänzen.Autor: lic. iur. Philippe FuchsNahrungsergänzungsmittel bestehen aus Einfach- oder Mehrfachkonzentraten von Vitaminen, Mineralstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung und werden in dosierter Form (wie z.B. Kapseln, Pastillen, Tabletten oder Pillen) in Verkehr gebracht (Art. 1 der Verordnung des EDI über Nahrungsergänzungsmittel, VNem).
Als Lebensmittel unterliegen Nahrungsergänzungsmittel der Lebensmittelgesetzgebung und folglich auch dem lebensmittelrechtlichen Täuschungsverbot. Die Aufmachung, Kennzeichnung und Verpackung von Lebensmitteln und die Werbung für sie darf die Konsumenten nicht täuschen (Art. 18 Abs. 2 des Lebensmittelgesetzes, LMG). Dieser allgemeine Grundsatz wird durch die Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung (LGV) konkretisiert. Verboten sind insbesondere:
1. Angaben über Wirkungen oder Eigenschaften eines Lebensmittels, die dieses nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft nicht besitzt oder die wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sind (Art. 12 Abs. 2 lit. a LGV)
2. Hinweise, die einem Lebensmittel Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder die den Eindruck entstehen lassen, dass solche Eigenschaften vorhanden sind (Art. 12 Abs. 2 lit. c LGV)
3. Aufmachungen irgendwelcher Art, die einem Lebensmittel den Anschein eines Heilmittels geben (Art. 12 Abs. 2 lit. d LGV).
Das Verbot der Heilanpreisungen im Besonderen
In Bezug auf Nahrungsergänzungsmittel unzulässig sind insbesondere Hinweise, die einem Lebensmittel Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder die den Eindruck entstehen lassen, dass solche Eigenschaften vorhanden sind. Man spricht in diesem Zusammenhang von sogenannten Heilanpreisungen, welche für Nahrungsergänzungsmittel – im Gegensatz zu Arzneimitteln – gerade nicht zulässig sind. Der Grund liegt darin, dass vorbeugende, behandelnde oder heilende Wirkungen wissenschaftlich erhärtet sein und in einem heilmittelrechtlichen Verfahren geprüft werden sollen (BGer 2C_162/2019 E.3.3). Damit ein Verstoss gegen das Verbot der Heilanpreisungen vorliegt, reicht bereits aus, dass ein Lebensmittel als Mittel gegen Krankheitszustände angepriesen oder eine solche Wirkung auch nur suggeriert wird. So hat die Rechtsprechung zum Beispiel die folgenden Aussagen bzw. Angaben als Verstoss gegen das Verbot der Heilanpreisung qualifiziert:
«Denn das Kalzium in der Milch hilft mit, der Knochenbrüchigkeit im Alter vorzubeugen, der sogenannten Osteoporose.» (BGE 127 II 91).
- «O.S. Notfall Bonbons nach Dr. Bach» (BGer 2A_106/2007).
- Verwendung einer Gliederpuppe auf der Verpackung von Nahrungsergänzungsmitteln mit eingefärbten Gelenken und dazu das Wort «arthro» (BGer 2C_162/2019).
- Aussagen, dass CBD schmerzstillend sei und angstlösend wirke, zur Verminderung von psychischen Beschwerden (Angespanntheit, Angstzustände, Schlafstörungen) und zur Verminderung somatischer Beschwerden führe, und es der Behandlung und Prävention von chronischen Krankheiten und neurologischen Störungen diene (BGer 2C_733/2020).
Ebenfalls nicht zulässig sind Aufmachungen irgendwelcher Art (also z.B. Verpackung, Internetauftritt, Werbematerialien etc.), die einem Lebensmittel den Anschein eines Arzneimittels geben. Die Praxis zeigt jedoch, dass von den Herstellern insbesondere in Zusammenhang mit Nahrungsergänzungsmitteln die Nähe zu den Arzneimitteln (bewusst oder unbewusst) gesucht wird. Aufgrund der Gesetzeslage ist die Verwendung von Elementen, die typischerweise mit Arzneimitteln assoziiert werden – wie z.B. eine Packungsbeilage, Angaben einer Dosierungsstärke, Verwendung unterschiedlicher Verpackungsfarben je nach Wirkstoffstärke – jedoch heikel. Gleiches gilt für Bezeichnungen, die typischerweise in Zusammenhang mit Arzneimitteln verwendet werden, wie zum Beispiel:
- «neu zugelassen»
- «klinisch getestet»
- «Zulassungsinhaberin»
- «von Ärzten empfohlen»
- «nebenwirkungsfrei»
- «Einnahme gemäss Absprache mit Arzt»
- «lassen Sie sich von einer Fachperson beraten»
Zulässigkeit von Health Claims
Zulässig sind hingegen die sogenannten Health Claims. Health Claims bzw. gesundheitsbezogene Angaben sind sprachliche oder bildliche Angaben, einschliesslich grafischer Elemente oder Symbole in jeder Form, mit denen erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einem Nahrungsergänzungsmittel einerseits und der Gesundheit andererseits besteht (Art. 31 Abs. 1 der Verordnung des EDI betreffend die Information über Lebensmittel, LIV). Im Unterschied zu den in Bezug auf Nahrungsergänzungsmittel unzulässigen Heilanpreisungen, wird durch Health Claims somit nur ein Zusammenhang zur Gesundheit und nicht zur Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer Krankheit hergestellt. Voraussetzung für die Zulässigkeit von Health Claims ist jedoch, dass die gesundheitsbezogene Angabe in Anhang 14 LIV aufgeführt ist. Zulässige Health Claims sind zum Beispiel:
«Biotin trägt zu einer normalen Funktion des Nervensystems bei»
- «Calcium wird für ein gesundes Wachstum und eine gesunde Entwicklung der Knochen bei Kindern benötigt»
- «Eisen trägt zur Verringerung von Müdigkeit und Ermüdung bei»
- «Zink trägt zur Erhaltung normaler Sehkraft bei»
Health Claims, welche nicht in Anhang 14 LIV aufgeführt sind, müssen vor der Verwendung vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) bewilligt werden. Das BLV ereilt eine solche Bewilligung, sofern anhand allgemein anerkannter wissenschaftlicher Daten und Informationen der Nachweis erbracht werden kann, dass die Lebensmittelkategorie, das Lebensmittel oder der Lebensmittelbestandteil die angegebenen Eigenschaften aufweist und die Konsumenten durch die Angabe nicht über die Eigenschaften der Lebensmittelkategorie, des Lebensmittels oder des Lebensmittelbestandteils getäuscht werden (Art. 33 LIV i.V.m. Art. 38 Abs. 2 LGV). Das Gesetz setzt dem Hersteller in Art. 38 Abs. 4 LGV durch einen Unterlagenschutz von fünf Jahren einen Anreiz, nicht in Anhang 14 LIV aufgeführte (aber wissenschaftlich nachgewiesene) gesundheitsbezogene Angaben bewilligen zu lassen.