Ein späterer Erbe als Vorsorgebeauftragter?
Was gilt es bei Einsetzung eines späteren Erben als Vorsorgebeauftragten zu beachten?Autor: lic. iur. Rahel PlüssAutoren: lic. iur. Rahel Plüss, unter Mitarbeit von M.A. HSG Nina Ramsauer, bürki bolt rechtsanwälte
Worum geht es?
Immer mehr Leute entscheiden sich dazu, einen Vorsorgeauftrag zu erstellen und damit Regelungen im Falle der eigenen Urteilsunfähigkeit zu treffen. In einem Vorsorgeauftrag können unter anderem die Personensorge, Vermögenssorge und Vertretung im Rechtsverkehr geregelt werden. Dadurch kann der Vorsorgeauftraggeber festlegen, dass eine oder mehrere bestimmte Personen ihn im Falle seiner Urteilsunfähigkeit in diesen Angelegenheiten vertreten. Mit Eintritt der Urteilsunfähigkeit und Annahme des Vorsorgeauftrages wird die darin bezeichnete Person verpflichtet, die Aufgaben und Tätigkeiten wahrzunehmen, die im Vorsorgeauftrag festgelegt sind.
Wer wird als Vorsorgebeauftragter eingesetzt?
In den meisten Fällen entscheiden sich die Vorsorgeauftraggeber dazu, nahe Vertrauenspersonen, wozu insbesondere Familienangehörige zählen, als Vorsorgebeauftragte mit Einzelunterschrift einzusetzen. Dies sind meist der Ehepartner, die eigenen Kinder oder die Eltern, welche auch gleichzeitig die gesetzlichen Erben des Vorsorgeauftraggebers darstellen.
Oft sind somit in den Vorsorgeaufträgen spätere Erben als beauftragte Personen eingesetzt. In diesem Fall besitzt die beauftragte Person eine Doppelstellung als Vorsorgebeauftragte und späterer Erbe.
Was sind die Folgen?
Daraus ergeben sich einige Konsequenzen, welche beachtet werden sollten:
Die im Vorsorgeauftrag festgelegte Vermögenssorge umfasst die Wahrung der finanziellen Interessen des Auftraggebers. Der Beauftragte kann dafür über die gesamten Einkünfte und das gesamte Vermögen des Auftraggebers verfügen und dieses verwalten. In den meisten Fällen gehören auch der Erwerb, die Veräusserung und Belastung von Liegenschaften dazu. Dies führt zu einem potenziellen Interessenkonflikt, welcher darin liegt, dass sich durch Dispositionen, die der Vorsorgebeauftragte in der Vermögenssorge vornimmt, auch Auswirkungen auf künftige erbrechtliche Ansprüche zeigen. Ist der Beauftragte gleichzeitig Erbe, so bestehen auch eigene Interessen in diesen Angelegenheiten.
Dazu ein fiktives Beispiel:
F hat einen Vorsorgeauftrag verfasst, in welchem sie ihren Sohn S, mit der Personensorge, Vermögensverwaltung und der Vertretung im Rechtsverkehr betraut hat. Eines Tages wird F urteilsunfähig und der Vorsorgeauftrag tritt in Kraft. S hat nun verschiedene vermögensrechtliche Entscheidungen zu treffen, bei welchen er als Vorsorgebeauftragter stets die Interessen von F wahren muss. Durch die Erbenstellung von S können aber auch persönliche Interessen bestehen, die jenen der Auftraggeberin entgegenlaufen können. Zum einen kann es vorkommen, dass S, anstatt die Ressourcen für die Pflege seiner Mutter F einzusetzen und ihre gesundheitlichen Interessen zu berücksichtigen, lieber sein zukünftiges Erbe optimiert und daher Pflegeleistungen verwehrt. Ferner ist auch denkbar, dass S im Rahmen seiner Befugnisse versucht, Teile des Vermögens für sich selbst zurückzulegen und sich am Vermögen von F bereichert, damit er bei Eintritt des Erbfalls weniger mit den Miterben zu teilen hat.
Wird man vom Gesetz nicht geschützt?
Die gesetzlichen Schutzmassnahmen sind eher dürftig und schützen meist nicht vor einem Interessenkonflikt. Bei der Validierung des Vorsorgeauftrages wird die Doppelstellung des Vorsorgebeauftragten als späterer Erbe nicht als Kriterium angesehen, welches die Eignung des Beauftragten verneint. Zudem hat der Vorsorgeauftraggeber bewusst die vorsorgebeauftragte Person eingesetzt.
Als einziges Schutzelement würde das Einschreiten der KESB auf Antrag eines Dritten oder bei Kenntnis eines Interessenmissbrauchs dienen (Art. 368 ZGB). Die damit verbundenen Schutzmassnahmen wie die periodische Rechnungsablage, die Anordnung eines Inventars oder Weisungen, können aber erst eintreten, wenn die Behörde von einer Interessengefährdung Kenntnis erlangt. Eine solche wird meistens von Dritten gar nicht erkannt und die KESB kann nicht jeden einzelnen Vorsorgefall überwachen.
Was kann man selbst tun?
Um einen Interessensmissbrauch vorzubeugen empfiehlt es sich, bereits im Vorsorgeauftrag Vorkehrungen zu treffen:
- Konkretisierung und genaue Aufgabenumschreibung der Tätigkeitsbereiche zur Einschränkung des Handlungsspielraums des Beauftragten.
- Weisungen zu den einzelnen Aufgaben im Vorsorgeauftrag erteilen. Z.B. können genaue Vorschriften zur Vermögensanlage gemacht oder der Beauftragte kann zur periodischen Rechenschaftsablage an die KESB verpflichtet werden.
- Ernennung mehrerer Personen als Beauftragte. Es können entweder einzelne Tätigkeitsbereiche auf einzelne Personen aufgeteilt oder es kann festgehalten werden, dass die Beauftragten alle Geschäfte gemeinsam zu erledigen haben. Dadurch entsteht eine gegenseitige Überwachung und Kontrolle. Sobald ein Beauftragter Kenntnis einer Interessengefährdung erhält, kann er die KESB benachrichtigen, welche sodann Massnahmen treffen kann. Durch diesen Kontrollmechanismus werden Interessenkonflikte schneller erkannt.
- Überprüfung der Vorsorgeaufträge durch die KESB sicherstellen. Z.B. durch Verpflichtung zur periodischen Rechnungsablage, wodurch die KESB regelmässig Informationen über die Mandatsausführung erhält und gegebenenfalls einschreiten kann. Möglich ist auch im Vorsorgeauftrag für bestimmte Rechtsgeschäfte anzuordnen, dass für deren Vornahme eine Zustimmung der KESB benötigt wird.