Online-Bewertungen im Internet zwischen Fluch und Segen

Im Internet kann heute alles bewertet, qualifiziert und disqualifiziert werden. Restaurants: «unfreundliche Bedienung», «schmutziges Besteck», «stinkender Fisch». Anwälte: «kennt die Akten nicht», «Abzockeranwalt». Auch Autohändler, Ärzte, Fusspflegerinnen und Blumenhändler bleiben nicht verschont. Die Online-Bewertung von Organisationen, Waren oder Dienstleistungen aller Art gehört zur Normalität der digitalisierten Gesellschaft.Autor: MLaw et lic. oec. Nathalie Glaus
Online-Bewertungen im Internet zwischen Fluch und Segen

Online-Bewertungen sind Teil des Konsumentenschutzes. Sie geniessen den verfassungsrechtlichen Schutz der Meinungsäusserungsfreiheit. So hat der deutsche Bundesgerichtshof ausdrücklich festgehalten, dass öffentliche Interessen die Benotung von Ärzten auf einem Bewertungsportal rechtfertigen können. Aber auch diese Freiheit ist nicht grenzenlos, sie muss gerechtfertigt sein. Gerichte im In- und Ausland haben in den letzten zehn Jahren die Grenzen der freien Meinungsäusserung auf Bewertungsportalen deutlicher aufgezeigt. Vor allem dort, wo Online-Bewertungen zur Diffamierung oder drohend, ja erpresserisch eingesetzt werden, nach dem Motto: «Wenn Du mir das Geld nicht zurückgibst, dann…».

 

Aussergerichtliche Streitbeilegung

Eine kritische Online-Bewertung kann unter Umständen auch eine Chance sein – der Konflikt als Teppich zur Kommunikation. Wo der Absender eruiert werden kann, ist fürs Erste die direkte Kontaktnahme zu empfehlen. Eine freundliche, aber bestimmte Kontaktnahme kann zielführend sein und allenfalls auch zur Verbesserung der Dienstleistungen genutzt werden. Wenn eine direkte Konfliktbereinigung nicht möglich ist, kann in einem zweiten Schritt die Portalbetreiberin kontaktiert werden mittels eines von der Betreiberin zur Verfügung gestellten Formulars mit dem Begehren auf Löschung einer rechtswidrigen Bewertung. In manchen Fällen ist dafür eine Anmeldung auf dem Bewertungsportal notwendig und eine Verifikation, damit sichergestellt werden kann, dass es sich dabei um den tatsächlichen Inhaber des bewerteten Unternehmens handelt.

Die Inanspruchnahme einer Anwältin kann zielführend sein, wenn der Bewerter oder die Portalbetreiberin nicht von sich aus die rechtswidrige negative Bewertung entfernen will. In der Regel wird auch eine Anwältin vorerst eine aussergerichtliche Streitbeilegung anstreben: Abmahnung des Verfassers (soweit bekannt) und/oder der Portalbetreiberin; Begründung, warum eine Bewertung falsch oder in dieser Tonalität nicht zu rechtfertigen ist oder gegen die Richtlinien der Portalbetreiberin verstösst. Weise abwägende Anwältinnen werden ihrer Klientschaft deutlich machen, dass ein einzelner negativer Ausreisser neben vielen positiven kaum eine Rufschädigung darstellt. So hat das Zürcher Obergericht entschieden, dass eine einzelne negative Restaurant-Bewertung («falsch deklarierten Fisch») neben 180 vorwiegend positiven nicht schwer ins Gewicht fällt.

Eine Portalbetreiberin hat zwar keine generelle Prüfpflicht bezüglich der eingehenden Bewertungen. Sie ist aber Mitwirkende. Und als solche ist sie zu einem Tun oder Unterlassen verpflichtet, wenn Persönlichkeitsrechte verletzt werden. Spätestens nach einer Abmahnung, wenn sie also Kenntnis von der widerrechtlichen oder gegen die Richtlinien verstossenden Bewertung hat, kann ihr Untätigbleiben als Verschulden angelastet werden. Allerdings ist sie nicht angehalten, dem bewerteten Unternehmen die Kontaktdaten des Bewertenden bekanntzugeben.

 

Vorsicht mit Strafklagen

Nach Verunglimpfungen erwarten Klienten von ihren Anwälten häufig die unverzügliche Einleitung eines Strafverfahrens. Doch aufgepasst: Nicht jede Persönlichkeitsverletzung im Sinne des Zivilgesetzbuches (Art. 28 ZGB) ist auch eine strafbare Ehrverletzung im Sinne von Art. 173 ff. StGB. Qualifizierungen wie «inkompetenter Chef» oder «Verwaltungsrat mit zwei blinden Augen» machen die betroffene Person nicht «als Mensch verächtlich», sondern tangieren «nur» seinen beruflichen Ruf. Eine Ehrverletzung liegt lediglich vor, wenn eine Äusserung den menschlichen Charakter einer Person in Zweifel zieht, nicht nur seine berufliche Kompetenz. Die Grenzen zwischen blosser Rufschädigung und Ehrverletzung sind fliessend. Mit einer zivilrechtlichen Klage ist ein Kläger auf der sicheren Seite. Zumal im Strafrecht auch das absichtliche Handeln nachgewiesen werden muss, was bisweilen schwierig ist. Vorsicht und eine genaue Abklärung ist auch beim Vorwurf der Nötigung (Art. 181 StGB) geboten. Eine Frau, die einem Geschäft anerbot, man könne über die Beseitigung einer «unbequemen» Rezension reden, wenn das Geld zurückbezahlt werde, handelte nicht nötigend. Begründung des Bundesgerichts: Nach bereits erfolgter Publikation werden keine «ernsthaften Nachteile» mehr angedroht. Der Nötigung macht sich nur schuldig, wer jemanden durch Gewalt oder unter Androhung ernstlicher Nachteile nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden.

 

Zivilklage wegen Persönlichkeitsverletzung

Der vom Zivilrecht geregelte Persönlichkeitsschutz reicht weiter als der vom Strafrecht erfasste. Jeder Bereich sozialer Geltung, auch der berufliche oder sportliche, wird vor unrechtmässigen Eingriffen geschützt. Die Verbreitung von wahren Tatsachen ist grundsätzlich durch die Meinungsäusserungsfreiheit geschützt. Eine Äusserung wird nicht durch jede kleine Ungenauigkeit unwahr oder persönlichkeitsverletzend, sondern nur, wenn sie in wesentlichen Punkten nicht zutrifft und so ein spürbar falsches Bild eines Bewerteten zeichnet. Persönliche Meinungsäusserungen sind ebenfalls zulässig, sofern sie aufgrund des Sachverhalts vertretbar sind und nicht unnötig verletzend, sprich, reine Schmähkritik sind. Auch Schmähkritik aufgrund von wahren Tatsachen kann eine nicht zu rechtfertigende Persönlichkeitsverletzung sein, wenn sie der betroffenen Person jede Personenehre abspricht. Dabei müssen sich politische Akteure «im Rahmen einer hitzig geführten Debatte» mehr gefallen lassen.

Fazit: Unwahre Äusserungen, aber auch polemisierend zugespitzte, schmähende Bewertungen, die auf wahren Tatsachen beruhen, können (ausnahmsweise) strafbare Ehrverletzung oder aber nur zivilrechtlich persönlichkeitsverletzend sein. Wenn nicht zweifelsfrei die menschliche Ehre auf dem Spiel steht, sollte man nur zivilrechtlich klagen, gestützt auf Art. 28a ZGB (Klage auf Anmerkung einer Gegendarstellung oder Bestreitung, Klage auf Nachschreibung oder Löschung), allenfalls auch gestützt auf das Datenschutzgesetz oder das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb.

 

Unlauterer Wettbewerb

Ein Bewertungsportal kann den Wettbewerb zwischen den bewerteten Unternehmen beeinflussen, weshalb die wettbewerbsrechtlichen Aspekte zu beachten sind. Das Verbreiten von unrichtigen Informationen ist per se unzulässig, da dies eine Irreführung darstellt und gegen das Wettbewerbsrecht verstösst. Persönliche Meinungsäusserungen sind erlaubt, sofern sie auch als solche erkennbar sind. Dabei kann es oftmals schwierig sein, zulässige Kritik von einer unlauteren, wettbewerbsbeeinflussenden Äusserung abzugrenzen. Auch hier ist der Übergang fliessend.

 

Die Problematik des Eigenlobes

Grundsätzlich kann das Unternehmen auf einem Bewertungsportal auch sich selbst beurteilen, denn bei den meisten Portalen wird die Identität des Bewertenden nur unzureichend überprüft. Eines wettbewerbsrechtlichen Verstosses macht sich strafbar, wer seine eigenen Dienstleistungen hochjubelt oder ungerechtfertigt lobt und sich so im Wettbewerb einen Vorteil gegenüber seinen direkten Konkurrenten zukommen lässt. Diese selbstbelobenden Rezensionen können Unternehmen allerdings nur angerechnet werden, wenn diese «erkennbar die Verantwortung für die Äusserungen Dritter übernehmen oder der Anbieter den zurechenbaren Anschein erweckt, er identifiziere sich mit den Rezensionen». Der auf dem Portal Recherchierende darf davon ausgehen, dass die abgegebenen Bewertungen durch Dritte und nicht das Unternehmen selbst abgegeben worden sind, weshalb eine Eigenbewertung wettbewerbsverzehrend ist.

Fazit

Portalanbieterinnen und bewertende Internetnutzer können sich auf den Schutz der Grundrechte freier Kommunikation berufen. Es besteht ein öffentliches Interesse an der Transparenz über die Qualität von Dienstleistungserbringern und deren Dienstleistungen, doch die Freiheit der Bewertenden endet beim Grundrechtsschutz der bewerteten Unternehmen. Auch der Persönlichkeitsschutz und der Schutz vor unlauterem Wettbewerb geben gewisse Schranken vor. In einem ersten Schritt kann sich der Bewertete selbst gegen solche Rezensionen wehren, doch in gewissen Fällen reichen diese Mittel nicht aus, weshalb der Beizug eines Anwalts ratsam ist. Dieser kann nicht nur über die rechtlich möglichen Schritte aufklären, sondern auch abschätzen, ob diese überhaupt erfolgsversprechend sind.

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