SchKG-Revision: Löschung von Betreibungen

Das Schweizer Rechtssystem sieht die Möglichkeit vor, dass jedermann jeden, egal über welchen Betrag, ohne Beweise und Forderungsgrund betreiben kann. Das Betreibungsamt prüft lediglich die formellen Anforderungen und darf keine materielle Prüfung vornehmen. Der bzw. die Betriebene kann sich wiederum, ob die Betreibung nun berechtigt sei oder nicht, ohne Begründung mit dem Rechtsvorschlag wehren und dadurch das Betreibungsverfahren – fürs Erste zumindest – stoppen. Im Betreibungsauszug verbleibt jedoch der Eintrag mit der Bemerkung «Rechtsvorschlag erhoben». Die Revision des SchKG sieht nun neu die Möglichkeit vor, Betreibungen im Betreibungsregister zu löschen, ohne dass der Gerichtsweg eingeschlagen werden muss.Autor: lic. iur. Saila Ruibal
SchKG-Revision: Löschung von Betreibungen

Am 11. Dezember 2009 reichte im Nationalrat Fabio Abate die parlamentarische Initiative «Löschung ungerechtfertigter Zahlungsbefehle» ein (p.l. Abate, 09.530, Löschung ungerechtfertigter Zahlungsbefehle). Damit wurde der Grundstein für die aktuelle Revision des SchKG gelegt. Die Eidgenössischen Räte haben am 16. Dezember 2016 dann die Änderung von Art. 8a, Art. 73 und Art. 85a SchKG beschlossen (BBI 2016 8897). Bis anhin musste der Schuldner für die Entfernung des Eintrags im Betreibungsauszug entweder fünf Jahre warten, den Gläubiger zum Rückzug der Betreibung bewegen oder den Rechtsweg (Aufsichtsbeschwerde nach Art. 17 SchKG, Klage nach Art. 85 SchKG, Klage nach Art. 85a SchKG oder Klage nach Art. 88 ZPO) beschreiten. Ansonsten ermöglicht Art. 8a SchKG jeder Drittperson, Einsicht in die Protokolle und Register der Betreibungs- und Konkursämter zu haben und sich Auszüge daraus geben zu lassen, sofern ein Interesse glaubhaft gemacht wird. In der Praxis wird in der Regel von den Betreibungsämtern ein schriftlicher Interessennachweis verlangt, welcher aber relativ einfach beigebracht werden kann. Das Einsichtsrecht liegt schliesslich im öffentlichen Interesse. Ein Vertragspartner soll abschätzen können, ob der andere kreditwürdig ist oder nicht. Mit der Revision trat per 1. Januar 2019 der neue Art. 8a SchKG in Kraft. Der Artikel wurde im Abs. 3 durch die lit. d ergänzt. Neu geben die Ämter Dritten keine Kenntnis von Betreibungen, wenn der Schuldner nach Ablauf einer Frist von drei Monaten seit Zustellung des Zahlungsbefehls ein entsprechendes Gesuch stellt und der Gläubiger danach nicht innerhalb einer Frist von 20 Tagen nachweist, dass er das Betreibungsverfahren fortsetzt. Wie sieht dies nun genau aus?

Vorneweg ist festzuhalten, dass über Art. 8a Abs. 3 lit. d SchKG im technischen Sinne keine eigentliche Löschung der Betreibung erreicht wird. Bei erfolgreichem Gesuch des Schuldners um Nichtbekanntgabe einer Betreibung, erhalten jedoch Dritte keine Kenntnis mehr über die Betreibung. Die Nichtbekanntgabe der Betreibung erfolgt nur auf Gesuch des Schuldners hin und zwar an das Betreibungsamt, bei welchem die beanstandete Betreibung eingereicht worden ist. Gemäss Art. 32 SchKG hat ein unzuständiges Amt das Gesuch weiterzuleiten. Das Gesuch um Nichtbekanntgabe muss sich auf eine Betreibung beziehen, für welche
der Schuldner Rechtsvorschlag erhoben hat. Der Gesetzgeber wollte mit der Revision des Art. 8a SchKG den Schutz vor ungerechtfertigten Betreibungen festigen. Damit wird zwingend vorausgesetzt, dass sich der Schuldner vorneweg mit dem Rechtsvorschlag gegen die Betreibung wehrt. Sofern ein Schuldner ohne vorgängig Rechtsvorschlag erhoben zu haben, das Gesuch um Nichtbekanntgabe stellt, hat das Betreibungsamt dieses unmittelbar abzuweisen. Das Gleiche gilt, wenn der Schuldner zwar Rechtsvorschlag erhoben hat, aber die beanstandete Forderung bezahlt. Erfolgt die Bezahlung beim Betreibungsamt, weist dieses das
Gesuch unmittelbar zurück. Reicht der Gläubiger den Zahlungsnachweis ein, dann wird das Gesuch bei Erhalt ebenfalls abgewiesen. Die Abweisung des Gesuchs um Nichtbekanntgabe durch das Betreibungsamt hat mittels Verfügung zu erfolgen. Sollte das Gesuch um Nichtbekanntgabe nach mehr als fünf Jahren seit Betreibung
eingereicht werden, so hat das Betreibungsamt mangels Rechtschutzinteresse auf das Gesuch nicht einzutreten.

Nachdem der Schuldner sodann Rechtsvorschlag erhoben hat, muss er nach Zustellung des Zahlungsbefehls drei Monate abwarten. Dies bedeutet demnach, dass die Betreibung während drei Monaten im Betreibungsauszug ausgeführt wird und während dieser Dauer weiterhin für Dritte ersichtlich bleibt. Erst nach Ablauf von drei Monaten kann der Schuldner das Gesuch um Löschung der Betreibung beim Betreibungsamt stellen. Die Frist von drei Monaten hat der Schuldner selbst zu beachten. Reicht der Schuldner ein Gesuch mehr als zwei Tage vor Ablauf dieser Frist ein, kann das Betreibungsamt dieses abweisen (vgl. Weisung der Dienststelle für Schuldbetreibung und Konkurs Nr. 5). Für die Berechnung der Frist gilt Art. 31 SchKG i.V.m. Art. 142 Abs. 2 ZPO.

Die Dienststelle der Oberaufsicht für Schuldbetreibung und Konkurs hat ein Muster des Gesuchsformulars um Nichtbekanntgabe aufgestellt. Dieses ist jedoch nicht obligatorisch. Die Betreibungsämter können eigene Gesuchsformulare erstellen und zur Verfügung stellen. Das Gesuch um Nichtbekanntgabe an Dritte kann aber vom Schuldner auch ohne Gesuchsformular eingereicht und sogar mündlich an das Betreibungsamt gestellt werden. Die Betreibungsämter haben den Schuldner in allen Fällen darüber zu informieren, dass das Gesuch nur bei unzulässigen Betreibungen zulässig ist und welche Kosten mit dem Gesuch zusammenhängen. Beim Gesuch hat der Schuldner die erforderlichen Angaben der Betreibung (Identifikation des Gesuchstellers sowie der betroffenen Betreibung oder der Forderungen aus einer Betreibung sowie die Erkennbarkeit des Gesuchs, künftig das Einsichtsrecht für diese Betreibung an Dritte nicht zu gewähren) mitzuteilen.

Die neue Gesetzesbestimmung führt auch zur Einführung einer neuen Gebühr. Art. 12b GebV SchKG sieht eine vom gesuchstellenden Schuldner zu entrichtende Gebühr vor. Die Höhe der Gebühr wurde auf CHF 40.00 festgesetzt. Die Gebühr weist zwei Besonderheiten auf: Sie wird einzig dem Schuldner auferlegt und nicht zu den Betreibungskosten hinzugerechnet. Unabhängig, ob das Gesuch um Nichtbekanntgabe erfolgreich ist oder nicht, hat der Schuldner diese zu begleichen. Da es sich bei dieser Gebühr um eine Pauschalgebühr handelt, sind sämtliche mit dem Gesuch verbundenen Auslagen damit umfasst. Es können keine weiteren Auslagen vom Schuldner verlangt werden. Das Betreibungsamt wird grundsätzlich die Gebühr als Kostenvorschuss verlangen, damit die eigenen Auslagen gesichert sind.

Wie hat nun der Gläubiger den Nachweis der Einreichung eines Verfahrens zur Beseitigung des Rechtsvorschlages zu erbringen? Er kann dies mittels einer Postaufgabe- oder Eingangsbestätigung des Gesuchs um Rechtsöffnung oder der Anerkennungsklage tun. Gemäss Weisung Nr. 5 der Dienststelle der Oberaufsicht für Schuldbetreibung und Konkurs des Bundesamtes für Justiz können einzelne Kantone auch die Rechnung des Gerichts über das entsprechende Verfahren als Nachweis akzeptieren. Reicht der Gläubiger diesen Nachweis noch während der 20 Tage ein, dann führt dies zur Abweisung des Gesuchs des Schuldners um Nichtbekanntgabe der Betreibung.

Die neue gesetzliche Regelung enthält keine Übergangsbestimmungen. Die neue Bestimmung ist demnach auch auf Betreibungen anwendbar, welche vor dem 1. Januar 2019 eingeleitet worden sind. Lediglich bei Betreibungen, welche länger als 5 Jahre zurückliegen, wird auf das Gesuch – wie vorerwähnt – mangels Rechtsschutzinteresse nicht eingetreten.

Bei der Revision wurden auch Art. 73 und Art. 85a SchKG angepasst. Gemäss Art. 73 SchKG kann der Schuldner neu «jederzeit» die Vorlage von Beweismitteln verlangen und ist nicht an die Bestreitungsfrist von 10 Tagen gebunden. Gemäss Art. 85a SchKG kann sodann der Schuldner die negative Feststellungsklage unabhängig davon, ob er Rechtsvorschlag erhoben hat oder nicht, erheben.

Schwerpunkt der Revision ist der Schutz vor ungerechtfertigten Betreibungen. Diesem Grundgedanken wurde mit dem neuen 8a SchKG gut Rechnung getragen. Dem Schuldner wird ein einfacher, kostengünstiger und nichtgerichtlicher Weg eröffnet, seinen Betreibungsauszug vor ungerechtfertigten Betreibungen zu «säubern». Der Gläubiger erhält hierdurch keinen Nachteil, da dieser sich immer noch wehren kann, wenn seine Betreibung eben doch gerechtfertigt ist. Es ist davon auszugehen, dass das Gesuch um Nichtbekanntgabe von den Schuldnern in Zukunft als erstes «Rechtsmittel» zur Beseitigung des Eintrags im Betreibungsauszug dienen wird.

 

Die neue Gesetzesbestimmung führt auch zur Einführung einer neuen Gebühr.

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