Neue Massnahmen gegen missbräuchliche Konkurse
Das Konkursrecht wird immer wieder dazu missbraucht, Konkurrenten zu unterbieten und Gläubiger zu schädigen, indem Konkursverfahren provoziert und finanzielle Verpflichtungen nicht erfüllt werden. Unternehmer können unmittelbar nach dem Konkurs ihrer Gesellschaft ein neues Unternehmen gründen, wobei sie oft die bisherigen Arbeitnehmer sowie Arbeitsgeräte übernehmen, um anschliessend neue Gläubiger auf die gleiche Art und Weise zu schädigen.Autor: lic. iur. Romuald MaierDer Bundesrat verabschiedete am 26. Juni 2019 die Botschaft zum Bundesgesetz über die Bekämpfung des missbräuchlichen Konkurses. Die darin gemachten Vorschläge sollen verhindern, dass das Konkursverfahren von Schuldnern missbraucht wird. Dazu sind verschiedene Anpassungen im Obligationenrecht, im Schuldbetreibungs- und Konkursrecht sowie im Strafrecht vorgesehen.
1. Hauptgründe für die Revision
Wirtschaftliche Tätigkeiten sind mit Risiken verbunden, welche dazu führen können, dass Unternehmen auch scheitern. Infolge gibt es in der Schweiz jährlich mehr als 15’000 Konkurse. Das Konkursverfahren ermöglicht in diesen Fällen ein geordnetes Verfahren zur Abwicklung eines gescheiterten Unternehmens und hält gleichzeitig auch die Möglichkeit eines Neuanfangs offen. Allerdings wird das Konkursrecht auch missbraucht, um sich finanzieller Verpflichtungen zu entledigen, welche zuvor bewusst und gezielt angehäuft wurden. Um sich von diesen Lasten zu befreien, wird die Gesellschaft ohne Aktiven in den Konkurs geschickt und das Geschäft auf eine neue Gesellschaft übertragen (sog. Firmenbestattung). Ferner wird auch eine Liquidation nach der Handelsregisterverordnung oder eine Liquidation wegen Organisationsmängeln gemäss Art. 731b OR provoziert (sog. Konkursverhinderung).
Die Unternehmen schädigen so nicht nur systematisch die Gläubiger sowie die Sozialversicherungen; sie erschleichen sich durch dieses Gebaren auch einen Wettbewerbsvorteil.
Wie viele Konkurse tatsächlich missbräuchlich sind, ist nicht bekannt. Gemäss Ernst & Young (Studie von 2009) werden 41,4 % der Konkursverfahren mangels Aktiven eingestellt, was zumindest ein Indiz für die zu späte Anrufung des Konkursrichters ist. Laut der Staatsanwaltschaft Zürich gibt es pro Jahr nur eine einstellige Anzahl strafrechtlich verfolgter Konkursfälle. Allerdings führen faktische und rechtliche Hürden für Gläubiger sowie Behörden dazu, dass auf eine konsequente Rechtsdurchsetzung selbst in offensichtlich missbräuchlichen Fällen verzichtet wird.
2. Vorgeschlagene Massnahmen
2.1. Vorbemerkungen
Das Phänomen der missbräuchlichen Konkurse ist bekannt und der Handlungsbedarf ist grundsätzlich unbestritten. Schwieriger ist es, konkrete Massnahmen vorzusehen, mit denen das Problem wirksam bekämpft werden kann, ohne dass sich unerwünschte Nebeneffekte einstellen, welche die wirtschaftliche Tätigkeit behindern oder sogar unterbinden. Es muss nach wie vor zulässig sein, mit einer Geschäftsidee zu scheitern.
2.2. Strafrecht: Verbesserte Durchsetzung des Tätigkeitsverbots
Als Kernstück der Vorlage beabsichtigt der Bundesrat, die Durchsetzbarkeit des strafrechtlichen Tätigkeitsverbots zu verbessern.
Das in Art. 67a Abs. 2 StGB geregelte Berufsverbot umfasst aktuell alle «Tätigkeiten, die der Täter selbstständig, als Organ einer juristischen Person oder Handelsgesellschaft, als Beauftragter oder als Vertreter einer anderen Person ausübt oder durch eine von seinen Weisungen abhängige Person ausüben lässt». Nur, wenn die Gefahr besteht, dass der Täter seine Tätigkeit auch zur Begehung von Straftaten missbraucht, wird ihm die Tätigkeit ganz untersagt (Art. 67a Abs. 3 StGB). Eingefügt werden soll in Art. 67a Abs. 2 E-StGB die Präzisierung, dass das Tätigkeitsverbot standardmässig sämtliche Funktionen erfasst, die im Handelsregister einzutragen sind und nicht nur für Organe gilt (bspw. Funktion des Geschäftsführers).
Zudem sollen Konkursämter bei Hinweisen Strafanzeige erstatten. Ferner soll das Eidgenössische Amt für das Handelsregister (EHRA) Prüfpflichten erhalten, damit keine Personen im Handelsregister eingetragen bleiben, wenn ihre Funktion mit einem Tätigkeitsverbot unvereinbar ist.
2.3. Handelsregister: Personensuche
Mit der Änderung des Obligationenrechts vom 17. März 2017 wurde die Schaffung einer zentralen Datenbank Personen beschlossen. Über die Webseite des zentralen Firmenindexes (Zefix) soll eine Suchfunktion von im Handelsregister eingetragenen natürlichen Personen ermöglicht werden. Die öffentlichen Personendaten werden mit den Daten der Rechtseinheiten verknüpft, wodurch nachvollziehbar wird, in welcher Rechtseinheit sowie in welcher Funktion die gesuchte Person im Handelsregister eingetragen ist oder war. Informationen zum wirtschaftlichen Werdegang und zu Verwicklungen in Konkursverfahren können damit eingesehen werden. Der Bundesrat sieht darin nebst einer abschreckenden Wirkung auch Vorteile für Behörden (bspw. Überprüfung von Gesellschaften und Funktionen durch ein Strafgericht). Dies ermögliche einem Gericht ein Gesamtbild der wirtschaftlichen Tätigkeit, womit auch ein spezifisches Tätigkeitsverbot nach Art. 67 StGB angeordnet werden könne.
2.4. Obligationenrecht
2.4.1. Nichtigkeit des Mantelhandels
Die langjährige Rechtsprechung des Bundesgerichts zum sogenannten «Mantelhandel», welcher als nichtiges Rechtsgeschäft erachtet wird, soll im OR kodifiziert werden. Das Bundesgericht beschreibt den Aktienmantel als eine wirtschaftlich vollständig liquidierte und von den Beteiligten aufgegebene, juristisch aber noch nicht aufgelöste Gesellschaft, wodurch gesetzliche Gründungsvorschriften umgangen und der Zweck der Löschungspflicht missachtet und vereitelt wird.
Wie der Bundesrat ausführlich festhält, dient der Mantelhandel jedoch auch der bereits erwähnten «organisierten Firmenbestattung». Er dient den involvierten Parteien und nicht zuletzt den Unternehmern dazu, sich persönlich zu bereichern und hat zur Konsequenz, dass die Gläubiger nicht mehr oder nur erschwert auf die Vermögenswerte der Gesellschaft zugreifen können und eröffnete Konkurse wieder mangels Aktiven eingestellt werden. Die vorgeschlagenen Art. 684a und Art. 787a E-OR statuieren die Nichtigkeit des Mantelhandels für die Aktiengesellschaft und Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Die Nichtigkeit betrifft den Kaufvertrag, welcher als obligatorisches Grundgeschäft zum Erwerb der Aktien bzw. der Stammanteile dient. Mittels neuer Bestimmungen in der Handelsregisterverordnung soll das Handelsregisteramt dazu angehalten werden, bei einem konkreten Verdacht auf einen Mantelhandel eine aktuelle Bilanz der betroffenen Gesellschaft einzufordern.
2.4.2. Abschaffung des rückwirkenden Opting-out
Unternehmen, die der Pflicht der eingeschränkten Revision unterstehen, jedoch höchstens zehn Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt haben, können mit Zustimmung sämtlicher Aktionäre oder Gesellschafter auf die Durchführung der eingeschränkten Revision verzichten. Dieser Verzicht wird als «Opting-out» bezeichnet und kann auch für vergangene Geschäftsjahre, d.h. rückwirkend beschlossen werden.
Das rückwirkende Opting-out – auch für das laufende Geschäftsjahr – soll künftig nicht mehr möglich sein, da es gemäss Botschaft bei Überschuldungen missbraucht wird. Das Opting-out soll nur noch für das nachfolgende Geschäftsjahr gelten und muss vor Beginn des Geschäftsjahres beim Handelsregisteramt angemeldet werden. Dafür soll Art. 727a Abs. 2 OR geändert sowie die Handelsregisterverordnung präzisiert werden.
2.5. Schuldbetreibungs- und Konkursrecht: Wahlrecht der Gläubiger bei der Fortsetzung der Betreibung
Die Botschaft zeigt anhand konkreter Missbrauchsfälle auf, dass Unternehmen nach geltendem Recht trotz chronischer Nichtzahlung öffentlich-rechtlicher Schulden wie beispielsweise Steuern oder Sozialversicherungsprämien weiterexistieren können, was missbräuchlich und wettbewerbsverzerrend sei. So sind etwa die Steuerverwaltung aufgrund von Art. 43 Ziff. 1 SchKG und die SUVA aufgrund von Art. 43 Ziff. 1bis SchKG nicht berechtigt, die Konkurseröffnung zu beantragen. Dies führe zu einem sachfremden Anreiz, öffentlich-rechtliche Schulden nicht zu bezahlen, um andere Gläubiger befriedigen zu können. Der Bundesrat schlägt nun vor, dass öffentlich-rechtliche Gläubiger im Rahmen des Fortsetzungsbegehrens wählen können, ob die Betreibung auf Pfändung oder auf Konkurs fortgesetzt wird. Kommt es zu einer fruchtlosen Pfändung, soll es ausserdem möglich sein, gestützt auf den Pfändungsverlustschein beim zuständigen Gericht ohne vorgängige Betreibung die Konkurseröffnung zu verlangen. Hierfür wird Art. 190 SchKG in diesem Sinne ergänzt.
3. Ausblick
Die parlamentarischen Beratungen zum Bundesgesetz über die Bekämpfung des missbräuchlichen Konkurses stehen noch aus. Es wird sich zeigen, wie die gemachten Vorschläge angenommen werden. In der Vernehmlassung waren die Reaktionen gemischt. Ob die Vorschläge in der Realität tatsächlich dazu führen, dass die heute bestehenden faktischen und rechtlichen Hürden gesenkt werden, damit die rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden und eine wirksame Bekämpfung missbräuchlicher Konkurse stattfindet, bleibt zumindest fraglich.