Die Vielzahl an Möglichkeiten der Ausgestaltung eines Ehevertrages mit Blick auf die Wahl des Güterstandes

Unterhalten sich die Brautpaare kurz vor der Heirat in ihrem Freundeskreis über die Möglichkeiten eines Ehevertrags, wird oft ein konkreter Güterstand empfohlen. Dabei verkennen die Brautleute, dass es weniger auf die Wahl des Güterstandes, sondern vielmehr auf die konkrete Ausgestaltung eines Ehevertrags und bestenfalls sogar eines Ehe- und Erbvertrages ankommt.Autor: M.A. HSG in Law Annina Berchtold-Schreiner
Die Vielzahl an Möglichkeiten der Ausgestaltung eines Ehevertrages mit Blick auf die Wahl des Güterstandes

Im Rahmen eines Ehevertrags ist nicht auszugehen von einem konkreten, vom Brautpaar gewünschten Güterstand, sondern von deren damit verfolgtem Ziel. Da sich dieses sowie die Familiensituation im Laufe der Ehe oder der Zeit ändern können, ist es unerlässlich, dass die einmal gewählte Regelung in regelmässigen Abständen wieder überprüft wird, ob sie noch den tatsächlichen Umständen entspricht. So kann ein junges Ehepaar ohne Kinder z. B. ein grosses Augenmerk darauf legen, dass im Falle einer Scheidung möglichst wenig mit dem Ehepartner geteilt werden muss. Sobald das Ehepaar aber Kinder hat und ein Ehegatte seine Erwerbstätigkeit reduziert, wird ihnen vielleicht daran liegen, dass im Falle einer Scheidung ein gerechter finanzieller Ausgleich für den einseitigen Verzicht auf die Erwerbstätigkeit erfolgt. Weiter ist ihnen unter Umständen daran gelegen, dass im Falle des Versterbens eines Ehegatten, der andere ohne finanzielle Sorgen sich weiterhin um das gemeinsame Kind kümmern kann und z. B. nicht gezwungen ist, die eheliche Liegenschaft zu veräussern, um dem Kind seinen Erbteil auszahlen zu können.

Der vorliegende Artikel stellt für ausgewählte Situationen eine Auswahl an konkreten güterrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten vor.

 

Fallbeispiel 1: Meist­begünstigung des überlebenden Ehegatten

Ehegatten mit Kindern und Eigenheim möchten sehr oft den überlebenden Ehegatten für den Fall des Ablebens des erstversterbenden Ehegatten meistbegünstigen. Die Überlegung dahinter ist regelmässig, dass der überlebende Ehegatte weiterhin das gleiche Leben führen können und nicht die Liegenschaft zur Auszahlung der Erbteile der Kinder verkaufen müssen soll.

Im Rahmen des gesetzlichen Güterstandes der Errungenschaftsbeteiligung besteht güterrechtlich die Möglichkeit, für den Fall des Ablebens eines Ehegatten die Gesamtsumme des Vorschlags beider Ehegatten dem überlebenden Ehegatten zukommen zu lassen. Dabei müssen die Pflichtteile nicht gemeinsamer Nachkommen und deren Nachkommen – nicht jedoch gemeinsamer Nachkommen – gewahrt sein. Nicht zum Tragen kommt diese Bestimmung mangels anderer Anordnung im Falle einer Scheidung, wo die gesetzliche hälftige Vorschlagsteilung Anwendung findet.

Im Rahmen der Erbrechtsrevision, welche nach aktuellem Kenntnisstand voraussichtlich 2021/2022 in Kraft treten wird, ist vorgesehen, dass die überhälftige Vorschlagsbeteiligung neu in die Pflichtteilsberechnungsmasse einbezogen wird. Damit werden die Pflichtteile aller Erben gleich berechnet. Während nicht gemeinsame Nachkommen zum Schutz von deren Pflichtteil weiterhin eine Herabsetzung der ehevertraglichen Begünstigung (der vollen Vorschlagszuweisung) verlangen können, haben gemeinsame Nachkommen aber nur ein Recht auf Herabsetzung gegenüber dem reinen Nachlass (= Nachlass­aktiven ./. Erbschaftsschulden ./. Erbgangsschulden). Ob dies schliesslich so umgesetzt wird, ist aber noch offen.

Sowohl in güter- als auch erbrechtlicher Hinsicht empfiehlt es sich, dem überlebenden Ehegatten mittels Teilungsregeln ein Wahlrecht hinsichtlich der Auswahl der konkreten Vermögenswerte einzuräumen.

 

Fallbeispiel 2: grosse Einkommensunterschiede

Anders gestaltet sich die Situa­tion zuweilen bei grossen Einkommensunterschieden oder im Falle einer Zweitehe im fortgeschrittenen Alter. Die Ehegatten wollen für diesen Fall oft nicht, dass dem anderen Ehegatten im Falle einer Scheidung die hälftige Errungenschaft zusteht.

Eine Möglichkeit besteht darin, im Rahmen des gesetzlichen Güterstandes der Errungenschaftsbeteiligung für die Verteilung des Vorschlags andere Wertquoten festzulegen. Beispielsweise kann bestimmt werden, dass der sehr gut verdienende Ehegatte vom gesamten Vorschlag 80 % und der andere 20 % bekommt. Aber auch der Vorschlag jedes Ehegatten kann nach unterschiedlichen Quoten aufgeteilt werden, sodass jeder Ehegatte von seinem Vorschlag 80 % behält und der andere 20 % bekommt. Stattdessen kann auch ein fester Betrag am Gesamtvorschlag oder an den Vorschlägen beider Ehegatten vorgesehen werden, welcher einem Ehegatten zukommen soll, während der Rest beim anderen Ehegatten verbleibt.

Alternativ kann ehevertraglich der Güterstand der Gütertrennung vereinbart werden. Bei der Gütertrennung verwaltet, nutzt und verfügt jeder Ehegatte über sein eigenes Vermögen und behält dieses auch im Falle der Auflösung der Ehe.

Dieser «Nicht-Güterstand» kann mit weiteren Rechtsgeschäften, die die güterrechtliche Benachteiligung ganz oder teilweise kompensieren sollen, verbunden werden. Im Hinblick auf die Auflösung der Ehe durch Tod eines Ehegatten, kann dies durch erbrechtliche, versicherungsvertragliche oder durch Disposi­tionen im Rahmen der 2. Säule erfolgen. Wird die Ehe durch Scheidung aufgelöst, kann der Ausgleich z. B. über eine Zuwendung im Sinne eines prozen­tualen Anteils am Einkommen des anderen Ehegatten oder über eine «Gutschrift» für jedes Ehejahr, die erst bei der Scheidung fällig wird, erfolgen. Der Rechtsgrund solcher Zuwendungen ist umstritten. Es ist bei der Redaktion des Vertrags der Eindruck zu vermeiden, dass es sich um eine eigentliche scheidungsrechtliche Nebenfolge handelt. Andernfalls riskiert man, dass das Vertragswerk als Ganzes dem richterlichen Genehmigungsvorbehalt im Falle einer Scheidung unterliegen könnte.

 

Fallbeispiel 3: Unternehmen

Immer häufiger ist die Situation anzutreffen, dass einer der Ehegatten über ein Unternehmen verfügt, das er schon zu Beginn der Ehe hatte oder sich im Laufe der Ehe aufgebaut hat. Dabei ist es dem Unternehmerehegatten jeweils ein Anliegen, dass er im Falle einer Scheidung nicht gezwungen ist, sein Unternehmen zu verkaufen, um den güterrechtlichen Ausgleichsanspruch des anderen Ehegatten erfüllen zu können.

Die einfachste Möglichkeit, das Unternehmen eines Ehegatten zu schützen, ist die Anordnung der Gütertrennung. Gerade aber, wenn die Ehegatten gemeinsame Nachkommen haben und der eine aus diesem Grund seine Erwerbstätigkeit reduziert oder gar ganz aufgibt, ist dies für den betreffenden Ehegatten oft keine Option.

Für die Ausgestaltung einer al­ternativen Lösung muss unter­schieden werden zwischen Unternehmen, welche im Eigengut des betreffenden Ehegatten stehen und solchen, die seiner Errungenschaft zugehören.

Eigengutsunternehmen sind insofern weniger problematisch, als sie unter dem Güterstand der Errungenschaft im Falle einer Scheidung als Eigengut beim betreffenden Ehegatten verbleiben. Dabei ist aber zu beachten, dass Erträge aus dem Eigengut in die Errungenschaft fallen. Ehevertraglich können sie der Errungenschaft jedoch entzogen und wiederum dem Eigengut zugewiesen werden.

Ebenfalls im Rahmen von Art. 199 ZGB können während der Ehe aufgebaute Unternehmen ehevertraglich zu Eigengut erklärt werden, wenn sie für die Ausübung eines Berufes oder den Betrieb eines Gewerbes bestimmt sind. Die infrage stehende Berufs- oder Gewerbetätigkeit muss bereits ausgeübt werden, wobei z. B. ein Sitz im Verwaltungsrat des betreffenden Unternehmens ausreicht. Die wirtschaftliche Tätigkeit des Ehegatten muss über die blosse Kapitalanlage und deren Verwaltung hinausgehen. Unter dieser Voraussetzung können auch künftige Errungenschaftswerte dem schon bestehenden Unternehmen zugeordnet werden. Eine Ersatzanschaffung würde ihrerseits zu Eigengut führen. Anders als im Rahmen der abweichenden Vorschlagszuweisung nach Art. 216 ZGB, werden die Pflichtteile nicht gemeinsamer Nachkommen in diesem Fall nicht vorbehalten. Es können aber nur Vermögenswerte zu Eigengut erklärt werden, die für die Ausübung des Berufs oder den Betrieb des Gewerbes notwendig sind. Problematisch sind in diesem Zusammenhang nicht betriebsnotwendige Vermögenswerte, welche einer Massenumteilung grundsätzlich nicht zugänglich sind. Ein weiteres Risiko besteht im Falle eines Verkaufs. Die herrschende Lehre geht davon aus, dass die Massenumteilung dahinfällt, wenn Vermögenswerte aufgrund von Ersatzanschaffungen dem wirtschaftlich investierten Vermögen endgültig entfremdet werden, was insbesondere bei einem Verkauf der Fall ist.

Aus diesem Grund empfiehlt es sich, eine doppelte Absicherung vorzusehen. Diese kann über eine vom Gesetz abweichende Vorschlagszuweisung erfolgen, indem das Unternehmen und dessen Surrogate von der Vorschlagszuweisung ausgenommen werden und dem betreffenden Ehegatten verbleiben. Dabei ist zu beachten, dass für diesen Fall wieder die Pflichtteile der nicht gemeinsamen Nachkommen geschützt sind.

Vorzubehalten bleibt der Arbeits­erwerb nach Art. 197 Abs. 2 Ziff. 1 ZGB, der grundsätzlich der Errungenschaft verbleibt. Der Unternehmerehegatte ist für seine Arbeitsleistung stets durch Bezüge aus dem Unternehmen angemessen zu entschädigen, ansonsten im Umfang der Differenz zwischen dem ausbezahlten und einem marktüblichen Lohn eine Ersatzforderung seiner Errungenschaft gegen sein Eigengut besteht.

Investiert ein Ehegatte in das Unternehmen des anderen, kann ehevertraglich der Mehrwertanteil ausgeschlossen werden. Es besteht folglich nur im Umfang des Nennwerts der Investition eine Ersatzforderung. Damit wird das Ausmass einer Rückzahlung «planbarer», was insbesondere deshalb von Bedeutung ist, weil ein Unternehmen, das an Wert zugenommen hat, nicht zwangsläufig auch in diesem Umfang eine höhere Liquidität aufweist und entsprechend eine Rückzahlung im Umfang der um den Mehrwert erhöhten Investition das Unternehmen in Liquiditätsschwierigkeiten bringen könnte. Nicht ausgeschlossen werden kann die Mehrwertbeteiligung bei Investitionen zwischen den Gütermassen (Eigengut und Errungenschaft) eines Ehegatten.

Da bei der güterrechtlichen Aus­einandersetzung die Vermögenswerte grundsätzlich zu ihrem Verkehrswert einzusetzen sind, kann das Festlegen von anderen (tieferen) Bewertungsvorschriften eine weitere Sicherheit bieten. Im Rahmen von Art. 216 ZGB ist es zulässig, dass die Ehegatten ehevertraglich z. B. den Steuerwert als den für die güterrechtliche Auseinandersetzung massgeblichen Wert für das Unternehmen vereinbaren. Ein ähnliches Ziel kann oft auch mit einer Bewertungsregelung in einem Aktionärsbindungsvertrag erreicht werden, wobei in diesem Fall – anders als im Rahmen von Art. 216 ZGB – die Pflichtteile nicht gemeinsamer Nachkommen nicht geschützt sind.

 

Fallbeispiel 4: keine Nachkommen, dafür pflichtteilsberechtigte Eltern

Der vertragliche Güterstand der Gütergemeinschaft fristet ein eher stiefmütterliches Dasein. Dabei bietet die Gütergemeinschaft zahlreiche Vorteile wie z. B. dass im Rahmen der beschränkten Gütergemeinschaft das Eigengut frei definiert werden kann.

Einen besonderen Vorteil sieht die Gütergemeinschaft vor, wenn die Ehegatten keine Nachkommen haben, daher deren Eltern pflichtteilsberechtigt sind und sie sich für den Fall der Auflösung des Güterstandes infolge Versterbens eines Ehegatten gegenseitig maximal begünstigen möchten. Indem das Gesamtgut dem überlebenden Ehegatten zugewiesen wird, kann das Pflichtteilsrecht der Eltern – mit Ausnahme des gesetzlichen Eigenguts – vollständig ausgeschlossen werden. Nicht beeinträchtigt werden dürfen die Pflichtteile der gemeinsamen und nicht gemeinsamen Nachkommen.

Im Rahmen der Erbrechtsrevision ist vorgesehen, dass die Pflichtteile der Eltern wegfallen sollen. Insofern verliert die Gü­tergemeinschaft weiter an Bedeutung. Ob dies schliesslich so umgesetzt wird, ist aber noch offen.

Im Übrigen sind mit der Gütergemeinschaft auch ernst zu nehmende Nachteile verbunden, sodass deren Anordnung sorgfältig zu überlegen ist. Hervorzuheben sind zum einen die Haftungsproblematik sowie das (allerdings vertraglich wegbedingbare) grundsätzliche Erfordernis der gemeinsamen Verwaltung des Vermögens.

 

Beurkundung durch St.Galler Anwälte als Notare

Es empfiehlt sich folglich, für die bedürfnisgerechte Ausgestaltung des Ehe- und allenfalls Erbvertrages einen Rechtsanwalt aufzusuchen. Im Gegensatz zu anderen Kantonen ist es in St.Gallen von besonderem Vorteil, dass die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte gleichzeitig auch Notarinnen und Notare sind. Die Beratung und Beurkundung wird folglich aus einer Hand geboten, wodurch Doppelspurigkeiten vermieden werden können.

 

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