Seepolizei in fremden Gewässern

Autor: Dr. h. c. Rolf Vetterli
Seepolizei in fremden Gewässern

Ein Einwohner des Dörfchens Quinten hatte an einem schönen Sommertag Besuch von einem Bekannten. Zum Nachtessen tranken die beiden etwas reichlich vom einheimischen Wein. Dann bekamen sie Lust auf einen kleinen Ausflug. Sie fuhren gegen acht Uhr abends mit dem Motorboot über den Walensee, um in einem Gartenrestaurant bei Mühlehorn einzukehren. Zu gleicher Zeit waren zwei Seepolizisten mit einem neu angeschafften Patrouillenschiff unterwegs. Nachdem sie es ausprobiert hatten, wurde ihnen offenbar ein wenig langweilig und so beschlossen sie, das zufällig daherkommende Motorboot zu kontrollieren. Als sie sich vom Bootsführer den Ausweis zeigen liessen, bemerkten sie seinen Alkoholgeruch.

Das Atemtestgerät zeigte einen Blutalkoholwert von mehr als einem Promille an. Darauf brachten die Polizisten das Boot samt den Insassen zurück nach Quinten und benachrichtigten die Staatsanwaltschaft, die eine Blutprobe anordnete. Der Bootsbesitzer weigerte sich aber, auf eine weitere Schiffsreise, diesmal zum Arzt nach Unterterzen, mitzukommen. Er bestreite ja gar nicht, dass er eins über den Durst getrunken habe, und damit sei eine medizinische Untersuchung überflüssig. Bei dieser Ansicht blieb er auch, als die Polizei ihm erklärte, dass er sich damit zusätzlich strafbar mache. Gegen den daraufhin erlassenen Strafbefehl erklärte der Bootsführer Einsprache. Danach verurteilte ihn das Kreisgericht wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand und Verweigerung der Blutprobe zu einer bedingten Geldstrafe von 15 Tagessätzen à 90 Franken und einer Busse von 1’000 Franken. Zudem auferlegt es ihm Verfahrenskosten von gut 2’500 Franken. Die Bootsfahrt ans andere Ufer wäre teurer geworden als eine Woche Luxusferien auf einem Kreuzfahrtschiff. Der Beschuldigte gelangt an das Kantonsgericht und dieses spricht ihn überraschend frei. Der Verteidiger hat nämlich entdeckt, dass die Kontrolle der st.gallischen Seepolizei auf Glarner Hoheitsgebiet stattfand. Eine Verfolgung über die Kantonsgrenze hinaus, eine sogenannte «Nacheile», ist aber nur in dringenden Fällen zulässig. Das Bundesgericht nahm eine solche Dringlichkeit an, als ein Automobilist, der durch seine unsichere Fahrweise auffiel und obendrein noch eine Stopplinie überfuhr, von der Zürcher Polizei erst auf schwyzerischem Boden angehalten werden konnte. Hier steuerte der Beschuldigte das Motorboot jedoch ganz gemütlich und ziemlich gradlinig über den See. Die Polizisten planten nach eigenem Bekunden eine reine Routinekontrolle. Sie behaupteten allerdings, der Schiffsführer habe bei ihrer Annäherung das Tempo gesteigert, und wollten daraus schliessen, dass er vielleicht doch etwas zu verbergen hatte. Freilich mussten sie einräumen, dass ihr Fahrzeug von vorne gar nicht als Polizeiboot zu erkennen war. Das Kantonsgericht stellt fest, dass die Seepolizei eine Art «fishing expedition» unternommen und auf gut Glück in fremden Gewässern geangelt habe. Es bleibt die Frage, was das für den auf Glarner Gebiet erhobenen Beweis bedeutet.

Die Strafprozessordnung unterscheidet zwischen absoluten Verwertungsverboten einerseits und blossen Ordnungswidrigkeiten andererseits. Das Geständnis eines Räubers ist nicht brauchbar, wenn die Polizei ihm bei der Einvernahme Schläge androhte. Der Fund bei einer Hausdurchsuchung bleibt hingegen verwertbar, wenn die Polizei es unterliess, den Wohnungsinhaber zur Begleitung einzuladen. Dazwischen steht der Fall, in dem die Untersuchungsbehörden Gültigkeitsvorschriften verletzten. Dann dürfen die gewonnenen Beweise nicht herangezogen werden – es sei denn, ihre Verwertung sei zur Aufdeckung schwerer Verbrechen unerlässlich. Das wird manchmal ziemlich rasch angenommen. So wurde etwa eine Diebesbande verurteilt, obwohl sie nur ertappt worden war, weil die Polizei an ihrem Auto heimlich einen illegalen Peilsender angebracht hatte. Das Führen eines Motorboots in angetrunkenem Zustand ist zwar kein harmloser Schelmenstreich, aber gewiss auch keine schwere Kriminaltat. Nun ist alles klar: Das Ergebnis des Atemlufttests darf nicht verwendet werden und damit entfällt auch der Anlass für die Anordnung einer Blutprobe.

Zu verdanken hat der angeheiterte Bootsführer das glückliche Ende des Strafverfahrens seinem Verteidiger. Erheben wir das Glas und trinken einen Schluck Quintener Blauburgunder auf einen Anwalt, der sich in der Geografie ebenso gut auskennt wie im Strafprozessrecht!

 

 

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